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Mittelweseranpassung

Das Großmotorgüterschiff (GMS) setzt neue Maßstäbe

Seehafenhinterlandanbindung

Die Mittelweser verbindet die Häfen in der Freien Hansestadt Bremen und die übrigen an der Unterweser gelegenen Häfen über den Mittellandkanal mit dem deutschen und europäischen Binnenwasserstraßennetz. Durch die Verbindung zum Mittellandkanal in Minden reicht diese Seehafenhinterlandanbindung von Berlin bis nach Westdeutschland und über Elbe und Rhein bis in das angrenzende süd- und östliche Europa.

Die Stauregelung der Mittelweser erfolgte von 1911 bis 1960. Begonnen wurde mit der Errichtung der Staustufe Hemelingen (1911) und der Staustufe Dörverden (1913). Anschließend (1926) begannen die Planung und der Ausbau (1934) der Staustufen Petershagen, Schlüsselburg, Landesbergen, Drakenburg und Langwedel, die, nach Unterbrechung durch den 2. Weltkrieg, im Jahre 1953 wieder aufgenommen und schließlich 1960 abgeschlossen wurden.

Durch diese Stauregulierung konnte die ganzjährige Befahrbarkeit der Mittelweser für das 1.000 t Schiff mit 2,20 m Abladung gewährleistet werden.

Entwicklung des Binnenschiffstransports

Das uneingeschränkte Befahren der Mittelweser war bis in die 1980er Jahre nur mit diesen kleineren Binnenschiffen möglich. Im Jahr 1984 wurde daher zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Freien Hansestadt Bremen die Anpassung der Mittelweser für die ganzjährige Befahrbarkeit mit 2,50 m abgeladenen 1.350 t Schiffen mit einer Länge von 85 m und einer Breite von 9,50 m beschlossen und im Oktober 1988 durch ein entsprechende Verwaltungsabkommen festgehalten.

Mit einer ersten Anpassung zwischen Minden und Landesbergen wurde der Verkehr für Europaschiffe (ES) und vergleichbare kleinere Schubverbände ermöglicht. Aufgrund der Fahrrinnenverhältnisse und der Abmessungen der Schleusenkammern in Minden ist die durchgängige Befahrbarkeit der Mittelweser derzeit auf das ES beschränkt. Auch entsprechen die damals berücksichtigten Schiffsabmessungen nicht mehr dem heutigen Standard.

Auf der Grundlage der stetig anwachsenden Gütermengen in dem Wirtschaftsraum und den verbesserten Transportkapazitäten der Binnenschifffahrt wurde für die Mittelweser ein Anstieg der Verkehrsmengen im Bereich Massengut prognostiziert. Steigerungsraten werden insbesondere für die Containerfracht auf der Mittelweser erwartet. Durch die im Aufbau befindlichen Containerterminals an Binnenwasserstraßen und die Stärkung der Binnenschifffahrt als Glied der Logistikkette wird ein wesentlicher Beitrag zur Entlastung der bereits heute überlasteten Straßen- und Schienennetze geleistet.

Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, haben die Bundesrepublik Deutschland und die Freie Hansestadt Bremen im Jahre 1997 vereinbart, die Mittelweser auf ganzer Länge für den Verkehr mit Großmotorgüterschiffen (GMS) anzupassen. Dazu sind u.a. Baumaßnahmen im Fluss, in den Schleusenkanälen sowie die Neubauten der Schleusen in Minden und Dörverden erforderlich.

Der Planfeststellungbeschluss Anpassung der Mittelweser an den Verkehr mit auf 2,50 m abgeladenen 1.350 t - Schiffen und den Verkehr von GMS mit Begegnungs- und Abladeeinschränkungen von Weser-km 252,600 bis km 354,190 vom 15.11.2002 wurde am 12.05.2006 rechtskräftig.

Die gegenwärtigen Ausbauplanungen basieren auf den Abmessungen des GMS, jedoch mit einer reduzierten Abladetiefe von 2,50 m. Allgemein hat das GMS eine Tragfähigkeit von 2.300 t und eine Abladetiefe von 2,80 m. Zum Thema "Binnenschiff und Umwelt" können Sie sich auf den Seiten der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) weiter informieren.

Im Gegensatz zum Straßen- und Schienennetz, das ausschließlich als reiner Transportweg genutzt wird, bereichern Wasserstraßen mit ihren vielfältigen Ufergestaltungen die Landschaft und bieten Raum für Freizeit und Erholung.

Beschreibung der Baumaßnahme

Übersicht

Die Baumaßnahmen finden alle in den sog. unteren Haltungen - Drakenburg, Dörverden und Langwedel - statt. Stand März 2022 sind alle Uferrückverlegungen in den Haltungen Drakenburg und Langwedel erfolgreich abgeschlossen.

Planung

Die Planung und Umsetzung der Maßnahmen erfolgen unter der Federführung einer Projektgruppe der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes mit personeller Unterstützung durch die Freie Hansestadt Bremen. In diesem Rahmen werden die Ergebnisse beteiligter Fachbehörden der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes (WSV), der Bundesanstalten für Wasserbau und Gewässerkunde, sowie externer Ingenieurbüros gesteuert und zusammengeführt.

Nach einer ersten Ausbaustufe mit umfangreichen Nassbaggerarbeiten im vorhandenen Gewässerbett konnte bereits Anfang 2009 eine durchgängige Fahrrinnentiefe von 2,80 m für die Fahrt mit Europaschiffen freigegeben werden.

Baumaßnahmen

Die Baumaßnahmen in den drei Stauhaltungen Drakenburg, Dörverden, Langwedel beinhalten insgesamt 18 Uferrückverlegungen (URV) einschließlich landschaftspflegerischer Maßnahmen, Buhnenrückbauten sowie umfangreiche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. In der Stauhaltung Hemelingen sind keine Uferrückverlegungen erforderlich, da die Weser dort bis auf eine Ausnahme (Horstedter Bogen) ausreichend Fahrrinnenbreite ausweist. Eine Selbstwahrschau durch AIS ist hier problemlos möglich.

In den Stauhaltungen werden zur Wiederherstellung der Böschungssicherung nur Deckwerkssteine und Filterkies aus natürlichen Baustoffen verwendet, d.h. es kommen keine industriell hergestellten Wasserbausteine und auch keine Geotextilien (Filtermatten) zum Einsatz. Dieses sind Auflagen aus dem Planfeststellungs- bzw. den weiteren Planänderungsverfahren.

Zusätzlich wurde für die Mittelweser das Verkehrsinformationssystem AIS als Pilotprojekt eingerichtet, das aus einem automatischen Identifikationssystem für das Binnenschiff und einer elektronischen Wasserstraßenkarte (ECDIS) besteht. Damit erhalten die Schiffsführer die notwendigen Informationen über die Verkehrslage im Revier und somit eine wichtige Grundlage für die erforderlichen Funkabsprachen untereinander (Selbstwahrschau). Am 5. Dezember 2013 hat die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) beschlossen, das die Ausrüstungspflicht für Inland AIS und Inland ECDIS im sog. Informationsmodus zum 1. Dezember 2014 auf dem Rhein eingeführt wird. Hiermit ist nun die Grundlage gelegt, damit in naher Zukunft dieses System auch auf den übrigen Binnenwasserstraßen und somit auch auf der Mittelweser verbindlich eingeführt werden kann. AIS und ECDIS führen maßgeblich zu einer Erhöhung der Sicherheit auf den Wasserstraßen.

Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen

Um einen vegetationsreichen Ufersaum zu schaffen, werden die Böschungen der Uferrückverlegungen abgeflacht, so dass ein wertvoller Rückzugsraum für die ufernahe Fauna entsteht.

Hierzu wird der Uferbereich landwärts abgeflacht und rückverlegt. Im Unterwasserbereich wird eine steilere Böschung und oberhalb des Mittelwasserspiegels eine flache Böschung mit abwechselnden Neigungen hergestellt, die die Ansiedlung von Röhrichten und anderen ökologisch wertvollen Pflanzen ermöglicht. So werden vielfältige Flachwasserzonen in den Uferbereichen geschaffen, die mit ihrem naturnahen Zustand den ursprünglichen Flußlandschaften entsprechen.

Querschnitt Uferrückverlegung

Im Juli 2015 wurde ein umfangreiches vegetationskundliches und faunistisches Monitoring an das Institut biota GmbH in Bützow vergeben. Im Rahmen dieses Monitorings, welches sich über fast zehn Jahre erstreckt, sollen die Auswirkung der Uferrückverlegungen (Langwedel) und der Ersatzmassnahme E2 auf Fauna und Flora untersucht werden. Dieses Monitoring ist eine Auflage aus dem Planfeststellungsverfahren und wird fachlich von der Bundesanstalt für Gewässerkund (BfG) begleitet.

Neben diesen ökologischen Maßnahmen im direkten Uferbereich zeichnet sich die Gesamtmaßnahme "Mittelweseranpassung" aber insbesondere dadurch aus, daß sämtlicher Aushubboden wieder subaquatischen in alten Kiesteichen an der Weser verbracht wurde bzw. verbracht wird. Durch die Auskiesung in den letzten Jahren und Jahrzehnten sind teilweise neue Gewässer entstanden, die sehr große Tiefen aufweisen. Diese "Übertiefen" haben aber den großen Nachteil, daß sie ökologisch wenig wertvoll sind. Wesentlich wertvoller sind dagegegen flache Bereiche und Kiesinseln in deren Uferbereichen sich Röhricht und andere Pflanzen ansiedeln können. Diese flachen Uferbereiche sind wertvolle Laichplätze für Fische und Amphibien.

Und genau hier liegt das "ökologische" Potential dieser Baumaßnahmen. Es sind dies die Kiesgruben Liebenau und Schweringen. Beide Kiesgruben wurden bzw. werden wieder sehr aufwendig aufgefüllt. Flache Kiesinseln werden modelliert, renaturiert und anschließend der natürlichen Sukzession überlassen. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes hat hier in den letzten 10 Jahren sehr viel in den Naturschutz investiert. Ohne diese Rekultivierung hätte sich die Kiesgrube Liebenau nicht zu diesem wertvollen Biotop entwickeln können.

Kiesgrube Liebenau Kiesgrube Liebenau Kiesgrube Liebenau

TEN-V Projekte

Transeuropäisches Verkehrsnetz (TEN-V)

Im Rahmen der sog. TEN-V Projekte (2012-DE-91043-P) wurden in den Jahren 2013 bis 2015 die folgenden vier Aktivitäten gefördert (Info Blatt zum Download):

  • Uferrückverlegungen 1.4, 1.5 und 1.6 (Stauhaltung Drakenburg)
  • Anpassung der Stoßschutzanlagen
  • Buhnenrückbau in den unteren Haltungen
  • Ausbau der Vorhäfen der Schleuse Dörverden

Stauhaltung Langwedel

Als erste Baumaßnahme wurden in den Jahren 2010 bis 2012 vier Uferrückverlegungen (3.1 bis 3.4) und eine Ersatzmaßnahme (E2) hergestellt.

Besonders hervorzuheben ist in dieser Stauhaltung die sog. Ersatzmaßnahme E2. Gemäß der landschaftspflegerischen Begleitplanung wurde am rechten Weserufer zwischen km 320,400 und 321,000 eine ca. 4 ha große Ackerfläche in eine flutrinnenartige Geländestruktur umgewandelt. Diese Flutmulde ist direkt an die Weser angebunden und wird bei Hochwasser überstaut. Seit der Fertigstellung im Jahr 2012 ist dieser Bereich der natürlichen Sukzession überlassen.

Ersatzmaßnahme E2 (2012) Ersatzmaßnahme E2 (2012) Ersatzmaßnahme E2 (2012) bei der Abnahme

Ersatzmaßnahme E2 (2016) Ersatzmaßnahme E2 (2016) Ersatzmaßnahme E2 (2016) nach vier Jahren natürlicher Sukzession

In der Stauhaltung Langwedel wurden alle geplanten Uferrückverlegungen gemäß dem Planfeststellungsbeschluss von 2002 umgesetzt. Die Anpassung der Mittelweser für das GMS ist in dieser Stauhaltung somit erfolgreich abgeschlossen.

Stauhaltung Dörverden

In der Stauhaltung Dörverden sind gem. Planfeststellungsbeschluss insgesamt sieben Uferrückverlegungen (2.1 bis 2.7) herzustellen. Derzeit befinden sich fünf Uferrückverlegungen (2.2, 2.3, 2.5, 2.6, 2.7) in Bau. Die Baumaßnahmen haben Mitte 2022 begonnen. In Abhängigkeit von den möglichen Hochwassersituationen wird die Bauzeit 3-4 Jahre betragen.

Sämtlicher Aushubboden wird in Teilflächen der ehemaligen Kiesgrube Schweringen subaquatisch verbracht und anschließend zu großflächigen naturraumtypischen Gewässerbereichen mit wertvollen Inseln, Röhricht und vielen Flachwasserzonen umgestaltet. Erst diese aufwendige Renaturierung durch die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ermöglicht es der Natur, daß sich die Kiesgrube Schweringen zukünftig wieder zu einem wertvollen Biotop für Fauna und Flora entwickeln kann.

Wendestelle Schweringen

In der Stauhaltung Dörverden wurde in den Jahren 2017/18 im Bereich der Kiesgrube Schweringen eine neue Wendestelle für Europaschiffe und Großmotorgüterschiffe gebaut. Im Zuge der Herstellung der Wendestelle wurde auch die URV 2.1 hergestellt. Diese Uferrückverlegung ist aus nautischen Gründen erforderlich, damit die Binnenschiffe sicher in die Wendestelle ein- und ausfahren können.

Herstellung der Wendestelle Schweringen Herstellung der Wendestelle Schweringen Herstellung der Wendestelle Schweringen einschl. URV 2.1

Stauhaltung Drakenburg

In der Stauhaltung Drakenburg sind gem. Planfeststellungsbeschluss insgesamt sieben Uferrückverlegungen (1.1 bis 1.7) herzustellen.

In den Jahren 2014 bis 2015 wurden drei Uferrückverlegungen (1.4, 1.5 und 1.6) hergestellt. Die Ausgaben hierfür betrugen ca. 10 Mio. EUR. Diese Maßnahme wurde mit Mitteln der EU (TEN-T) gefördert. In den Jahren 2016 bis 2017 wurde die URV 1.7 in Verbindung mit einer Ersatzmaßnahme (E1) fertig gestellt.

Sämtlicher Aushubboden wurde in der ehemaligen Kiegrube Liebenau subaquatisch verbracht und anschließend zu großflächigen naturraumtypischen Gewässerbereichen mit wertvollen Inseln, Röhricht und vielen Flachwasserzonen umgestaltet. Erst diese aufwendige Renaturierung durch die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes ermöglicht es der Natur, daß sich die Kiesgrube in Liebenau zukünftig wieder zu einem wertvollen Biotop für Fauna und Flora entwickeln kann.

Kiesgrube Liebenau Kiesgrube Liebenau Kiesgrube Liebenau

In den Jahren 2019 bis 2021 wurden abschließend die Uferrückverlegungen 1.1 bis 1.3 hergestellt. In der Stauhaltung Drakenburg sind somit alle geplanten Uferrückverlegungen gemäß dem Planfeststellungsbeschluss von 2002 umgesetzt. Die Anpassung der Mittelweser für das GMS ist in dieser Stauhaltung erfolgreich abgeschlossen.

Bau der Uferrückverlegung 1.3 Bau der Uferrückverlegung 1.3 Bau der Uferrückverlegung 1.3

Aktueller Stand

Mit Einweihung der Schleuse Minden am 1. August 2017 ist die Mittelweser grundsätzlich für das GMS - mit Einschränkungen im Begegnungsverkehr - freigegeben. Entgegen den ursprünglichen PLANCO Verkehrsprognosen hat sich der Verkehr mit dem GMS sehr viel besser entwickelt als prognostiziert. Zunächst muss der Verkehrsweg geschaffen werden, danach passen sich automatisch die Verkehre an.

Derzeit befinden sich fünf Uferrückverlegungen (2.2, 2.3, 2.5, 2.6, 2.7) in der Stauhaltung Dörverden in Bau. Die Baumaßnahmen haben Mitte 2022 begonnen. In Abhängigkeit von den möglichen Hochwassersituationen wird die Bauzeit 3-4 Jahre betragen.

Fazit

Wenn diese fünf Uferrückverlegungen hergestellt sind, dann ist die "Mittelweseranpassung für das GMS" abgeschlossen. Rückblickend kann aber jetzt schon festgestellt werden, das diese aufwendigen Maßnahmen sowohl für die Schifffahrt, als auch für den Naturschutz als voller Erfolg zu werten sind. Technik und Naturschutz wurden hier perfekt kombiniert. Kein Gegeneinander, sondern ein "natürliches" Miteinander!