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Schleuse Uelzen II

Nach acht Jahren Bauzeit ist am 8. Dezember 2006 die neue Schleuse Uelzen II in Betrieb genommen worden. An der alten Schleuse von 1976 waren wiederholt Schäden aufgetreten, die schließlich so erheblich waren, dass ein vollständiger Ausfall der Schleuse nicht mehr ausgeschlossen werden konnte. Das Bundesverkehrsministerium hat deshalb 1995 entschieden, in Uelzen ein zweites Schleusenbauwerk zu errichten, um die Durchgängigkeit des Elbeseitenkanals zuverlässig zu sichern und gleichzeitig für eine Steigerung des Verkehrs in Folge der Wiedervereinigung vorzusorgen.

Vorgeschichte und Veranlassung

Der 115 Kilometer lange Elbeseitenkanal (ESK) verbindet die Elbe bei Lauenburg mit dem Mittellandkanal (MLK) bei Wolfsburg und damit die Seehäfen Hamburg und Lübeck mit dem europäischen Binnenwasserstraßennetz.

Der Höhenunterschied von 61 Metern zwischen Elbe und Mittellandkanal wird mit zwei Abstiegsbauwerken überwunden: einem Schiffshebewerk in Scharnebeck (38 m) und einer Schiffsschleuse in Uelzen (23 m).

Die Schleuse Uelzen, die bei ihrer Inbetriebnahme 1976 die Schleuse mit der größten Hubhöhe in Deutschland war, hat eine Nutzlänge von 185 m, eine Breite von 12 m und eine Drempeltiefe von 4 m.

Ende 1992 wurden erste große Schäden an der Schleuse erkennbar. Der an das Unterhaupt anschließende Kammerblock war innerhalb kurzer Zeit nach Nordwesten abgekippt und hatte sich an das Unterhaupt angelehnt. In der Folge kam es zu heftigen Erschütterungen im ganzen Bauwerk, weil sich Unterhaupt und anschließender Kammerblock nicht mehr frei gegeneinander bewegen konnten und sich damit Spannungen aufbauten, die sich dann ruckartig entluden.

Nach dem ersten großen Schaden sind in der Folgezeit noch an weiteren Kammerblöcken Schäden aufgetreten. Mit umfangreichen Sanierungsmaßnahmen zwischen Ende 1992 und April 1997 [2] konnte die Schleuse soweit stabilisiert werden, dass ein weiterer sicherer Betrieb gewährleistet ist.

Auf der Grundlage mehrerer Gutachten, die nach dem Auftreten der ersten Schäden in Auftrag gegeben worden waren, hat das Bundesministerium für Verkehr 1995 entschieden, in Uelzen ein zweites Schleusenbauwerk zu errichten.

Planung der neuen Schleuse Uelzen II

Die Haushaltsunterlage (Entwurf-HU) für den Bau der Schleuse Uelzen II wurde im März 1996 vom Bundesminister für Verkehr genehmigt.

Der Planfeststellungsbeschluss für das Bauvorhaben ist am 11.08.1997 durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte in Hannover ergangen (ergänzt durch Beschluss vom 11.07.2001).

Die neue Schleuse Uelzen II ist für das Großmotorgüterschiff (110 m Länge, 11,4 m Breite, 2,8 m Abladetiefe) und den 185 m langen Schubverband bemessen worden. Die Schleuse hat eine Nutz-länge von 190 m, eine Breite von 12,5 m und eine Drempeltiefe von 4 m. Die Abmessungen der neuen Schleuse sind also nur unwesentlich größer als die der alten (Nutzlänge 185 m, Breite 12,0 m, Drempeltiefe 4 m).

Blick von Norden auf die Schleusenanlage Uelzen Blick von Norden auf die Schleusenanlage Uelzen

Rechts die Schleuse Uelzen I, daneben die neue Schleuse Uelzen II kurz vor der Fertigstellung im Juli 2006. Die Sparbecken der alten Schleuse befinden sich rechts neben der Schleuse. Der Steuerstand der neuen Schleuse ist in das Unterhaupt integriert.


Die neue Schleuse Uelzen II

Statisches System

Eine Schleuse ist ein Bauwerk, das wie kein anderes außergewöhnlich große planmäßige Lastwechsel zu ertragen hat. Bei einer Fallhöhe von 23 m und einer Wassertiefe von 4 m wirkt bei Oberwasserstand auf die Kammerwand der Druck einer 27 m hohen Wassersäule. Dies entspricht dem Druck auf eine mittelgroße Talsperre (größte Stauhöhe bei der Diemeltalsperre ca. 34 m).

15 Minuten später entspricht der kammerseitige Wasserdruck nur noch dem Druck einer 4 m hohen Wassersäule. Weitere 30 Minuten später wirken wieder 27 m Wasserdruck auf die Kammerwand. Ebenfalls außergewöhnlich groß sind die Lastwechsel, der die Gründungssohlen der Schleusenkammer und der Sparbecken ausgesetzt sind, wenn die Sparbecken von der Kammer abgesetzt sind. Bei der Schleuse Uelzen I beträgt z.B. die Differenz zwischen Kammer auf Ober- und Unterwasserstand 54.000 m3 Wasser oder 540.000 kN.

Die statische Konstruktion der Schleuse Uelzen II ist im Wesentlichen eine Konsequenz aus der Konstruktion der Schleuse Uelzen I und der hier aufgetretenen Schäden. Diese Schäden sind auf Undichtigkeiten in den Raumfugen infolge großer unterschiedlicher Verformungen und Belastungen des Bauwerks zurückzuführen.

Für die Planung der neuen Schleuse hieß dies: kompakt, verformungsarm, eine Sohlplatte für Kammer und Sparbecken und möglichst wenig Raumfugen.

Um diese Ziele zu erreichen, wurden bei der neuen Schleuse Uelzen II die Sparbecken übereinander in beide Kammerwände integriert. Anstelle der filigranen aufgelösten Kammerwand bei der alten Schleuse entstanden ausgesteifte Kammerwände von insgesamt 20 Metern Breite (siehe auch Abb. 2).

Das Konstruktionsprinzip der übereinander in die Kammerwände integrierten Sparbecken hat zwei bekannte und bewährte Vorbilder:

  1. Die 1915 in Betrieb genommene Schachtschleuse Minden
  2. Die Doppelschleuse Anderten (Hindenburgschleuse), die 1928 als damals größte Binnenschleuse Europas eröffnet wurde

Das gesamte Schleusenbauwerk (Schleusenkammer, Ober- und Unterhaupt und Sparbecken) wurde auf eine 233,70 m lange, 52,50 m breite und 3,75 m dicke monolithischen Sohlplatte gestellt. Bei der alten Schleuse sind die Sparbecken dagegen terrassenförmig 30 bis 80 Meter westlich der Schleusenkammer angeordnet. Infolge dieses Konstruktionsprinzips ist sowohl die Gründung der Schleusenkammer als auch die Gründung der Sparbecken ständigen großen Lastwechseln ausgesetzt. Dies hatte sich bei der Schleuse Uelzen I als nachteilig erwiesen. Bei der neuen Schleuse ist dieser Effekt durch die gemeinsame Sohlplatte konstruktiv ausgeschlossen.

Querschnitt der Schleusen Rechts der Kammerquerschnitt der alten Schleuse mit den abgesetzten Sparbecken. Links der kompakte Querschnitt der neuen Schleuse mit den symmetrisch übereinander angeordneten Sparbecken.

Die aufgehende Schleusenkonstruktion wird über 12,5 m Höhe ebenfalls monolithisch hergestellt. Erst oberhalb werden zwischen den Häuptern und den Kammerlamellen insgesamt 9 Raumfugen angeordnet. Durchgehende Raumfugen werden wegen des unterschiedlichen Setzungsverhaltens der Bauwerksteile nur noch zwischen Einlaufbauwerk und Oberhaupt und Auslaufbauwerk und Unterhaupt eingebaut.

Die fugenreduzierte Bauweise findet bei Schleusenbauwerken zunehmend Anwendung. Neueste Machbarkeitsstudien haben gezeigt, dass bei fugenreduzierter Bauweise der Mehraufwand bei der Bewehrung zur Aufnahme der Zwangsbeanspruchungen vergleichsweise gering ist. Die Vorteile der fugenreduzierten Bauweise bei Bau und Unterhaltung sind dagegen erheblich. Mit der Moselschleuse Fankel, mit deren Bau im Frühjahr 2006 begonnen wurde, wird erstmals eine moderne Stahlbetonschleuse komplett monolithisch hergestellt.

Beim Vergleich der alten mit der neuen Schleuse fällt zunächst auf, dass offensichtlich mit der alten Schleuse das gleiche Ziel - Schiffe, über eine Fallstufe von 23 m zu bringen - mit sehr viel weniger Materialaufwand als bei der neuen Schleuse erreicht wurde. Bei der alten Schleuse wurden 100.000 m3 Beton und 10.000 t Bewehrungsstahl verbaut. Für die neue Schleuse Uelzen II wurden dagegen 241.000 m3 Beton und 33.500 t Bewehrungsstahl benötigt. Berücksichtigt man, dass die Abmessungen der neuen Schleuse etwas größer sind und dass die neue Schleuse über eine Sparbeckenebene mehr als die alte verfügt, so kann man grob sagen, dass für die neue Schleuse doppelt soviel Beton und dreimal soviel Bewehrungsstahl erforderlich waren als es für eine vergleichbare Schleuse nach dem Konstruktionsprinzip der alten Schleuse erforderlich gewesen wäre. Der Vergleich ist so jedoch nicht zulässig, da sich die Bauteilabmessungen der alte Schleuse hinsichtlich Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit eben als nicht ausreichend herausgestellt haben. Neuere Schleusen mit seitlich terrassenförmig angelegten Sparbecken, die nach den neuesten Normen und Erkenntnissen bemessen wurden, weisen einen deutlich höheren Materialverbrauch auf. Bei der Schleuse Rothensee (Inbetriebnahme 2001) wurden bei gleichen Kammerabmessungen wie bei Uelzen II, drei Sparbeckenebenen und einer maximalen Hubhöhe von 18,46 m ca. 170.000 m3 Stahlbeton und knapp 17.000 t Bewehrungsstahl verbaut. Bei der Doppelschleuse Hohenwarthe (Inbetriebnahme 2003) wurden bei ebenfalls jeweils gleichen Kammerabmessungen, bei jeweils drei Sparbeckenebenen und einer maximalen Hubhöhe von 19,05 m ca. 320.000 m3 Stahlbeton und ca. 39.000 t Bewehrungsstahl benötigt. Vergleicht man diese Werte mit dem Materialaufwand bei der Schleuse Uelzen II und berücksichtigt man zudem, dass bei allen Schleusen in Magdeburg nur jeweils drei Sparbeckenebenen angeordnet wurden und dass die Fallhöhe ca. 20 % geringer ist, dann ergibt sich, dass die kompakte Bauweise bei der Schleuse Uelzen II keineswegs unverhältnismäßig materialaufwändig ist.

Hydraulisches System

Die obere Kanalhaltung der Schleusen in Uelzen (Scheitelhaltung des ESK und des MLK) verfügt über keine Zuflüsse, so dass das Schleusungswasser wieder in die obere Haltung zurückgepumpt werden muss. Bei der neuen Schleuse in Uelzen sind für eine Schleusung 59.000 m3, bei der alten 54.000 m3 Wasser erforderlich.

Mit Hilfe von Sparbecken ist es möglich, die wieder zurück zu pumpende Wassermenge zu reduzieren. Maßgebend für die Festlegung der Anzahl und der Größe der Sparbecken ist eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, bei der die erforderlichen Investitionen für die Sparbecken den eingesparten Pumpkosten während der Nutzungsdauer der Schleuse gegenübergestellt werden.

[Sparbecken wird in der Regel mit Sparbeckenebenen gleichgesetzt. Entscheidend für die Einsparung ist nicht die Anzahl der Becken sondern die Anzahl der Ebenen, auf denen Becken angeordnet werden. Schleuse Uelzen II hat auf vier Ebenen acht Becken, Schleuse Anderten auf fünf Ebenen fünfzig Becken.]

Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung sind aktuell Pumpkosten (Investitions-, Betriebs- und Unterhaltungskosten) in der Größenordnung von 1,5 Cent / m3 anzusetzen. Das heißt, das Zurückpumpen einer Kammerfüllung würde bei der Schleuse Uelzen II knapp 900 € kosten.

Für die Schleuse Uelzen I hatte die Wirtschaftlichkeitsberechnung zu dem Ergebnis geführt, drei Sparbecken mit jeweils der 1,3fachen Kammerfläche anzuordnen. Dadurch wird erreicht, dass bei einer Schleusung nur 22.000 m3 (40 % der Kammerfüllung) an das Unterwasser abgegeben werden und wieder zurückgepumpt werden müssen. Unter den besonderen konstruktiven Randbedingungen ergab sich für die Schleuse Uelzen II das wirtschaftliche Optimum bei vier Sparbecken mit jeweils der 1,7fachen Kammerfläche. Mit dieser Lösung können 70 % der Schleusenfüllung, also mehr als 41.000 m3, in den Sparbecken zurückgehalten werden.

Die Schleuse Uelzen II ist damit die größte Sparschleuse der Welt.

Es folgen die Schleusen Leerstetten, Eckersmühlen und Hilpoltstein am Main-Donau-Kanal mit einer Sparwassermenge von jeweils ca. 35.000 m3.

Die Schleuse Anderten erreicht mit fünf Sparbecken zwar eine Rückhaltung von 75 %. Wegen der sehr viel geringeren Hubhöhe von 14,70 m ergibt sich daraus jedoch nur eine Sparwassermenge von 31.500 m3.

Bei den 2001 bzw. 2003 am Wasserstraßenkreuz in Magdeburg in Betrieb genommenen Schleusen Rothensee und Hohenwarthe (zwei Schleusen) beträgt die Sparwassermenge jeweils ca. 28.000 m3.

Bei der Schleuse Uelzen II müssen 59.000 m3 Wasser in die Kammer eingeleitet werden, um die Schiffe um 23 m zu heben bzw. es muss die gleiche Menge abgeleitet werden, um die Schiffe um 23 m abzusenken. Wie bei jeder Schleuse füllt bzw. leert sich die Kammer nur aufgrund des hydraulischen Gefälles zwischen verschiedenen Wasserspiegellagen.

Die Herausforderung besteht darin, die Kammer so schnell wie möglich zu füllen bzw. zu leeren.

Hierbei sind jeweils 59.000 m3 Wasser zu bewegen. Diese Menge entspricht dem Inhalt von 24 olympisches Schwimmbecken (50 x 25 x 2 m), dem Wasserbedarf einer vierköpfigen Familie – in 340 Jahren, bei durchschnittlichem Wasserpreis dem Gegenwert eines Einfamilienhauses.

Beim Füllen und Leeren ist zu beachten, dass weder im oberen und unteren Vorhafen noch in der Schleusenkammer unzulässige Strömungsgeschwindigkeiten und Kräfte auftreten dürfen.

Die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) hat mit Hilfe eines Modells im Maßstab 1:20 die Befüllung und Entleerung im Detail untersucht. Außerdem wurden die langjährigen Erfahrungen an bestehenden Schleusen berücksichtigt.

Die Schleuse Uelzen II hat unterhalb der Schleusenkammer einen großräumigen Grundlauf erhalten, der 200 m lang, 10 m breit und 3,25 m hoch ist (siehe auch Abb. 3). Der Grundlauf ist über zwei Längskanäle mit dem Oberwasser und über zwei Längskanäle (je 2 m breit und 3,25 m hoch) mit dem Unterwasser verbunden. Jede Sparbeckenebene ist über vier Sparbeckenkanäle (je 1,8 m breit und 2,70 m hoch) an den Grundlauf angeschlossen. In der Decke des Grundlaufs bzw. in der Sohle der Kammer befinden sich 336 kreisrunde Fülldüsen mit 30 cm Durchmesser, über die die Schleusenkammer gefüllt und geleert wird. Im Grundlauf werden die Fließbewegungen verlangsamt und die Druckverhältnisse ausgeglichen. Dadurch ist beim Füllen und Leeren eine sehr gleichmäßige Strömungsverteilung in der Schleusenkammer erreichbar.

Das Füllen der Schleusenkammer dauert bei der neuen Schleuse ca. 14 Minuten, das Leeren ca. 12 Minuten. Die Vergleichszahlen für die alte Schleuse betragen 12 bzw. 11 Minuten. Die etwas längeren Zeiten erklären sich aus der größeren Wassermenge für eine Schleusenfüllung, der zusätzlichen Sparbeckenebene und dem Füllsystem mit 16 Sparbeckenkanälen und Grundlauf.

Abb. 3: Blick in den Grundlauf unterhalb der Schleusenkammer. Im Hintergrund die Längskanäle, die die Verbindung mit dem Oberwasser herstellen. Links und rechts die abgehenden Sparbeckenzulaufkanäle, über die die Sparbecken mit dem Grundlauf verbunden sind.

Betrieb und Unterhaltung

Der Zu- und Abfluss zum Grundlauf wird über insgesamt 20 Segmentschütze in den vier Längskanäle und den 16 Sparbeckenzulaufkanälen gesteuert. Die Verschlüsse befinden sich unmittelbar vor dem Grundlauf auf Höhe der Grundlaufsohle, d.h. mehr als 30 m unter der Schleusenplattform. Unterhalb der untersten Sparbeckenebene (NN + 46 m) steht sehr viel Raum zur Verfügung, weil infolge des Füllsystems mit Grundlauf die durchgehende Schleusensohle auf NN + 30 m abgesenkt ist (siehe auch Abb. 2 und 4). Dadurch ergibt sich geometrisch die Möglichkeit, die Antriebsräume für die Verschlüsse und die dazugehörigen Elektroräume auf der Ebene der Verschlüsse (NN + 38 m) anzuordnen. Von dieser Ebene aus ist auch ein direkter Zugang über Drucktüren zu den Segmentschützen möglich. Die Zugänglichkeit und die Unterhaltung der Verschlüsse sind damit außerordentlich einfach und unproblematisch (siehe auch Abb. 5).

Abb. 4: Querschnitt der Schleusenkammer im Bereich der Sparbeckenzulaufkanäle von Lamelle 2 bei Unterwasserstand. Unmittelbar links bzw. rechts der Segmentschütze befinden sich auf Höhe der Kammersohle die Verbindungsgänge. Ein Querschnitt wenige Meter daneben würde die zu den Schützen gehörenden Antriebs- und Elektroräume zeigen.

Abb. 5: Antriebsraum für einen Sparbeckenverschluss. Hinter dem Elektrohubzylinder ist der Zugang durch eine Drucktür zum Segmentschütz zu erkennen.

Voraussetzung für dieses Konzept ist jedoch eine horizontale Erschließung der Schleuse. Auf beiden Seiten der Schleuse sind deshalb befahrbare Verbindungsgänge (2 m breit und 3,25 m hoch) auf Ebene NN + 38 m angelegt worden, die vom Unterhaupt über Rampen zugänglich sind und die im Bereich des Oberhauptes über einen Quergang miteinander verbunden sind. Über diese insgesamt mehr als 500 m langen Verbindungsgänge sind alle 20 Segmentschütze, alle 12 Antriebsräume, alle 12 Elektroräume und alle Pumpenräume sowie die durch Drucktüren gesi-cherten Zugänge zum Grundlauf und zur Schleusenkammer erreichbar (siehe auch Abb. 6). Die optimale Zugänglichkeit durch Gänge und Räume tief im Innern der Schleuse (10 m unter Gelände bzw. 30 m unterhalb der Plattform) erfordert auf der anderen Seite erhebliche Aufwendungen für Brandschutzmaßnahmen und Klimatechnik.

Abb. 6: Verbindungsgang, der die Schleuse horizontal erschließt und über den alle Segmentschütze, die Antriebsräume und die Elektroräume erreichbar sind.

Das Obertor der Schleuse Uelzen II ist ein Zugsegment, das zum Öffnen der Durchfahrt nach unten in eine Torgrube gedreht wird. Das Untertor ist ein überstautes Stemmtor.

Das Obertor wiegt 35 t, ein Stemmtorflügel 78,5 t, die Segmentschütze der Längskanäle 13,1 und die der Sparbeckenzulaufkanäle 11,2 t. Die Schleuse und das Wegenetz wurden so geplant, dass jeder Punkt der Schleusenplattform auch von den größten Autokränen erreichbar und befahrbar ist. Alle Verschlüsse können demzufolge von der Plattform aus ein- und ausgebaut werden. Die Einbauorte der Segmentschütze der Längs- und Sparbeckenzulaufkanäle sind dabei über mehr als 30 m tiefe Schächte von der Plattform aus erreichbar (siehe auch Abb. 4 und 8).

Alle Verschlüsse werden elektromechanisch mit Hilfe von Elektrohubzylindern angetrieben. Die Antriebe einschließlich der erforderlichen Elektroräume befinden sich unmittelbar am jeweiligen Verschluss und damit im Bauwerk. Die Antriebsräume sind ebenfalls über Schächte mit der Plattform verbunden, so dass auch die ca. 2 t schweren Elektrohubzylinder von dort aus ein- und ausgebaut werden können.

Antriebshäuser auf der Schleusenplattform, wie sie für die Schleusen Minden und Anderten charakteristisch sind, sind deshalb nicht erforderlich. Maschinenhäuser neben der Schleuse, in denen der Zufluss zu seitlich angeordneten Sparbecken geregelt wird, wie bei Uelzen I oder den Schleusen Rothensee und Hohenwarthe, sind schon aufgrund der prinzipiellen Konstruktion überflüssig.

Durch die moderne Kamera- und Monitortechnik ist es heute möglich, eine Schleuse ohne direkten Einblick in die Schleusenkammer sicher zu bedienen. Der ursprünglich geplante Riegel über dem Unterhaupt (wie bei Schleuse Uelzen I, siehe Abb. 1) konnte deshalb entfallen. Der Steuerstand der Schleuse Uelzen II befindet sich unterhalb der Plattform im Unterhaupt. Von dort wird später auch die alte Schleuse bedient. Im Steuerstand wird nur ein Mitarbeiter tätig sein.

Baudurchführung

Die Gesamtbaumaßnahme Schleuse Uelzen II wurde in sechs Baulose aufgeteilt. In einer vorbereitenden Maßnahme wurde 1998 ein Durchlass (Aue-Durchlass) im Bereich des oberen Vorhafens verlängert. Im März 1998 wurde die Arbeitsgemeinschaft Schleuse Uelzen II (ARGE Schleuse Uelzen II - Züblin, Züblin Spezialtiefbau und Kirchner) mit dem Baulos Baugrube / Massivbau beauftragt. Dieses Baulos ist der mit Abstand größte Bauvertrag. Die Auftragssumme beträgt 85 % der Gesamtauftragssumme von knapp 122 Mio. €.

Es folgten die Lose Stahlwasserbau / Maschinentechnik an Krupp Stahlbau Hannover und Elektro- und Nachrichtentechnik.

Die Arbeiten im Bereich Hochbau wurden an die Firmen BODE Bau + Beton GmbH und Kümper + Schwarze Baubetriebe GmbH vergeben.

Darüber hinaus wurden verschiedene Ingenieurbüros eingeschaltet, die die örtliche Bauüberwachung und die Bauoberleitung z.B. in speziellen Fragen der Qualitätssicherung unterstützt haben.

Baugrube

Die Schäden an der Schleuse Uelzen I sind der Hauptgrund für die Entscheidung neben der bestehenden eine zweite Schleuse zu errichten. Bei der Planung der Baugrube hat demzufolge die Situation der alten Schleuse eine wichtige Rolle gespielt. Es galt Lage und Konstruktion der Baugrube so zu wählen, dass wirtschaftlich und technisch die optimale Lösung zur Ausführung kommt. Hierbei waren vor allen Dingen folgende - zum Teil widerstrebende - Kriterien zu beachten:

  1. Die Baugrube für die neue Schleuse war soweit wie möglich von der alten Schleuse abzurücken, um negative Auswirkungen auf die Schleuse Uelzen I zu minimieren.
  2. Die neue Schleuse war so dicht wie möglich neben der alten zu planen, um den Aufwand für den Ausbau der Vorhäfen zu minimieren.
  3. Die Baugrube war so steif wie möglich zu konstruieren, um schädliche Verformungen für die alte Schleuse zu reduzieren.
  4. Eine Grundwasserabsenkung war aus ökologischen aber auch aus technischen Gründen ausgeschlossen.

Die Planung kam zu dem Ergebnis, die neue Schleuse auf Höhe der alten in einem Achsabstand von 70 m zu errichten. Aufgrund der Konstruktion der neuen Schleuse bedeutete dies, dass die westliche Baugrubenwand nur ca. 30 m von der Außenkante der östlichen Kammerwand der alten Schleuse entfernt war.

Der Verwaltungsentwurf sah für die 265 m lange, 52,5 m breite und 20 m tiefe Baugrube eine rückverankerte Schlitzwand als Umfassung vor. Nach dem Bodenaushub im Nassen wird eine verankerte Unterwasserbetonsohle eingebaut, die die Baugrube nach unten gegen ca. 15 m Wasserdruck abschließt (Wand-Sohle-Bauweise).

Ein Sondervorschlag der ARGE Schleuse Uelzen II, der schließlich auch ausgeführt wurde, sah anstelle der Verankerung der Schlitzwände, die auf der Westseite bis unter die alte Schleuse gereicht hätte, eine zweilagige Aussteifung der Baugrube vor. Der Einbau der Stahlbetonsteifen, die aus statischen Gründen unterhalb des anstehenden Grundwasserspiegels anzuordnen waren, war wirtschaftlich jedoch nur im Trockenen möglich, so dass sich zwingend die Notwendigkeit ergab, vor dem Aushub der Baugrube den Zufluss des Grundwassers zu unterbinden. Dies geschah mit Hilfe einer mitteltiefliegenden Düsenstrahlsohle (HDI-Sohle oder Soil-Jet-Sohle), die von der Geländeoberfläche aus in 20 m Tiefe hergestellt wurde. Die Sohle, die eine Dicke von ca. 1,5 m auf-weist, besteht aus rund 11.800 Einzelsäulen mit einem Durchmesser von ca. 1,60 m. Die Düsenstrahlsohle diente neben der Abdichtung auch als weitere (untere) Stützung der knapp 20 m langen Schlitzwände. 1.700 der Säulen wurden als sogenannte Soil-Jet-GEWI-Anker ausgebildet. 25 m lange GEWI-Anker mit einem Durchmesser von 64 mm wurden mittig in die Säulen eingestellt und mit ihnen kraftschlüssig verbunden. Die Oberkante der Düsenstrahlsohle liegt aus technischen Gründen im Mittel 3 m unterhalb der späteren Aushubsohle, so dass die in dieser Form einmalige Baugrubenabdichtung nie in Augenschein genommen werden konnte. Mit dem Baufortschritt wurden die Stahlbetonsteifen später zurückgebaut.

Abb. 7: Die Baustelle im Mai 2003. Rechts die alte Schleuse mit den drei terrassenförmig angeordneten Sparbecken.

Probleme bei der Herstellung der Düsenstrahlsohle haben den Beginn der Stahlbetonarbeiten um ca. 18 Monate verzögert. Trotz aller Probleme ist es zu keinen Beeinträchtigungen der vorgeschädigten alte Schleuse Uelzen I gekommen. Die alte Schleuse konnte während der gesamten Bauzeit der neuen Schleuse störungsfrei betrieben werden.

Massivbau

Nach der Fertigstellung der Baugrube wurde in der Zeit von April 2001 bis Juli 2005 eine Betonmenge von 241.000 m3 eingebaut. Für die Betonagen wurden zwei Ortbetonmischanlagen eingesetzt, die zusammen eine Kapazität von ca. 160 m3/h hatten. Die größten Einzelbetonagen haben bis zu 7.200 m3 Beton umfasst und haben mehr als 50 Stunden gedauert.

Insgesamt wurden ca. 33.500 Tonnen Bewehrungsstahl eingebaut. Der sehr hohe Bewehrungsgehalt von ca. 139 kg / m3 ist dabei nicht auf die fugenreduzierte Bauweise zurückzuführen, sondern ergibt sich in erster Linie aus den hohen Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit und die Dauerhaftigkeit des Bauwerks.

Koordination der einzelnen Gewerke

Für den Einbau der festen Stahlwasserbauteile (z.B. Lager und Gleitflächen) wurden vom Massivbauer im Erstbeton Öffnungen und Aussparungen mit Anschlussbewehrung vorgesehen. Ab Mitte 2005 wurden vom Stahlwasserbauer dort die entsprechenden Teile eingesetzt und ausgerichtet. Der anschließende Verguss mit Zweitbeton war dann wieder Aufgabe des Massivbauers. Hierbei wurde teilweise selbstverdichtender Beton eingesetzt, weil aufgrund der engen geometrischen Abmessungen eine ausreichende Verdichtung von Normalbeton nicht möglich gewesen wäre. Nach dem Aushärten des Zweitbetons wurde das Bauteil wieder an den Stahlwasserbauer zum Einbau der beweglichen Stahlbauteile übergeben. Nach dem Einbau der beweglichen Verschlüsse und dem Justieren der Gleitflächen aus Edelstahl war wieder der Massivbauer an der Reihe, der nun die exakt eingestellten Edelstahlgleitflächen einzubetonieren hatte. Nach erneuter Übergabe an den Stahlwasserbauer hat dieser schließlich die Dichtungen eingestellt. Der beschriebene Ablauf, der aus technischer Sicht zwingend erforderlich ist, zeigt, dass hier ein erhebliches Konfliktpotenzial vorhanden ist.

Abb. 8: Schleusenkammer mit Schleusenplattform. Rechts und links die offenen Becken der oberen Sparbeckenebene. Auf der Sohle der Schleusenkammer sind die Fülldüsen zu erkennen, über die die Kammer über den Grundlauf gefüllt und geleert wird. Links die Schleuse Uelzen I mit der aufgelösten Kammerwandkonstruktion. Auf der Plattform sind die Abdeckungen der Schächte zu erkennen, über die alle Segementschütze und Elektrohubzylinder ein- und ausgebaut werden können. Links die Schleuse Uelzen I mit der aufgelösten Kammerwandkonstruktion.

Bei der Bauausführung zeigte sich, dass auch für die Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Maschinentechnik (Krupp Stahlbau Hannover) und Steuerungstechnik (OSMO Anlagenbau) eine intensive Abstimmung erforderlich war.

Hier war der Auftraggeber sehr stark gefordert, der die Arbeiten technisch (Zustandsfeststellungen) und terminlich zu koordinieren hatte.

Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verlangt zwingend eine Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose. Der Zuschnitt der Lose sollte jedoch so erfolgen, dass technisch und terminlich eine bauvertraglich klare Trennung der Lose möglich ist. Nach Auswertung der Erfahrungen bei der Abwicklung der Baumaßnahme Uelzen II wird zu entscheiden sein, ob die Schnittstellen zwischen einzelnen Baulosen zukünftig anders gelegt werden sollten. Beim beschriebenen Beispiel wäre zu überlegen, ob es nicht günstiger ist, den kompletten Einbau der Stahlwasserbauteile einschließlich der Zweitbetonarbeiten an den Stahlwasserbauer zu vergeben.

Ausbau der Vorhäfen

Beim Bau des ESK Anfang der siebziger Jahre wurde bei der Gestaltung der Vorhäfen der Schleuse Uelzen bereits der Bau eines zweiten Abstiegsbauwerkes berücksichtigt. Die Bauweise der neuen Schleuse mit beidseitig der Kammer angeordneten Sparbecken macht ein weiteres Abrücken (Achsabstand 70 m) von der alten Schleuse erforderlich, so dass die vorhandene Geometrie der Vorhäfen nicht mehr ausreichend ist.

Der Ausbau des unteren Vorhafens war bautechnisch unproblematisch. Die nicht gedichtete Sohle des Erweiterungsbereiches wurde mit 3,6 kg/dm3 schweren Silikatsteinen auf Geotextil befestigt. Problematischer war der Ausbau des oberen Vorhafens. Der Kanal verläuft dort in einer mit Asphalt gedichteten Dammstrecke. Der Wasserspiegel liegt ca. 18 m über dem Gelände.

Die vorhandene Uferspundwand wurde mit einer bauzeitlichen Hilfsspundwand zu einem 6 m breiten Fangedamm verbunden. Im Schutz des standsicheren Fangedammes wurde die Erweiterungsfläche des oberen Vorhafens im Trockenen hergestellt (Uferspundwand, Tondichtung, Geotextil, Steinschüttung, 15 m breite Verklammerung entlang der neuen Uferspundwand, siehe auch Abb. 9). Nach dem Fluten des Erweiterungsbereiches wurde der Fangedamm zurückgebaut. Hierbei wurde der 6 m breite Steifen zwischen den Spundwänden des Fangedammes sukzessive unter Wasser ausgehoben und anschließend gedichtet.

Zwischen dem Aushub des Bodens und dem Einbringen der Dichtung war ein bestimmter Sohlabschnitt ungedichtet (hier maximal 500 m2). Um jede Gefahr für den Damm während dieser Zeit auszuschließen, wurde ein umfassendes Sicherheitskonzept entwickelt. Das Konzept beinhaltete u.a. ein Grundwasserbeobachtungsprogramm (ca. 50 Messstellen), das Vorhalten von Materialien für den Notfall (Bentonitmatten, big bags, mineralische Filter) und die ständige Bereitschaft von Baupersonal. Die Erweiterung des oberen Vorhafens wurde Ende 2005 abgeschlossen, ohne dass größere Schwierigkeiten aufgetreten waren.

Abb. 9: Die Schleuse im April 2005. Im Hintergrund die Erweiterungsarbeiten am oberen Vorhafen.

Probebetrieb

Anfang Mai 2006 wurde mit dem Fluten der Schleuse Uelzen II begonnen. Nach einem speziellen Konzept wurde der Wasserstand in der Schleuse stufenweise angehoben. Dabei wurde der Wasserstand jedoch erst erhöht, wenn die Dichtigkeit aller betroffenen Bauteile auf der vorherigen Stufe nachgewiesen und dokumentiert war. Wurde eine Undichtigkeit festgestellt, so ist diese zunächst beseitigt worden. Das Fluten bis auf Oberwasserstand war Mitte Juli 2006 abgeschlossen.

Danach wurden alle Verschlüsse und Antriebe einzeln erprobt. Hierbei wurden z.B. Endstellungen, Fahrgeschwindigkeiten, Nothalte und Schnellschlüsse überprüft. Es folgte die Erprobung der verschiedenen Schleusenprogramme (Normalprogramm, Schleusung ohne Sparbecken, Füllen oder Entleeren mit nur einem Längskanal u.a.). Die Programme verwendeten die Zeitvorgaben der BAW, die diese aufgrund der Modelluntersuchungen ermittelt hat. An der realen Schleuse war zu kontrollieren, ob sich z.B. nach dem Schließen der vier Segmentverschlüsse in den Zulaufkanälen zu einer Sparbeckenebene die hydraulisch erforderlichen Wasserstände sowohl in den Sparbecken als auch in der Schleusenkammer eingestellt haben. War dies nicht der Fall, so mussten die Zeitvorgaben angepasst werden. Die Anpassungen erfolgten unter Federführung der BAW im Spätsommer 2006. Schließlich wurde die Schleuse noch einmal im Dauertest, teilweise mit Schiffen, auf Herz und Nieren geprüft. Der Probetrieb dauerte insgesamt ca. ein halbes Jahr.

Zusammenfassung

Am 8. Dezember 2006 wurde die Schleuse Uelzen II nach mehr als achtjähriger Bauzeit dem Verkehr übergeben. Die Schleuse, mit der eine Fallhöhe von 23 m überwunden wird, ist eine Sparschleuse, bei der die Sparbecken beidseitig der Kammer auf vier Ebenen übereinander angeordnet sind. Damit können ca. 70 % der Schleusenfüllung von 59.000 m³ zurückgehalten werden. Die Schleuse Uelzen II ist damit die größte Sparschleuse der Welt.

Durch die in die Kammerwände integrierten Sparbecken ist ein kompaktes Bauwerk mit einem Rauminhalt von ca. 400.000 m3 (210 m lang, 52,5 m breit, 36,5 m hoch) entstanden. Dies entspricht nahezu dem Rauminhalt des Berliner Reichtagsgebäudes. Verbaut wurden ca. 241.000 m3 Stahlbeton. Dies ist doppelt soviel Beton wie für den Bau der neuen Allianz Arena in München erforderlich war. Weiter wurden 33.500 t Bewehrungsstahl eingebaut. Eine Stahlmenge, mit der man vier Pariser Eiffeltürme hätte errichten können. Die Baukosten haben knapp 122 Mio. € betragen.