Navigation und Service

Kanalüberführung Leine

Notwendigkeit

Der Mittellandkanal (MLK) verbindet als zentraler Teil der einzigen West-Ost-Magistrale Norddeutschlands die Stromgebiete Rhein, Ems und Weser mit Elbe und Oder. Er stellt die Anschlüsse zu den deutschen Seehäfen her und gewährleistet die Versorgung der Kanalregion und Berlins. Der MLK besitzt damit eine große nationale und europäische Bedeutung, die mit der Wiedervereinigung Deutschlands und in Bezug auf den einheitlichen europäischen Binnenmarkt noch gestiegen ist. Allerdings entsprechen die Abmessungen des Kanalbettes, sowie die der Kanalbrücken im Leinetal nicht mehr den Anforderungen an den wirtschaftlichen Verkehr mit modernen Schiffseinheiten. Um den Strukturveränderungen der Binnenschifffahrt und ihrer wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung gerecht zu werden, wird der MLK bereits seit mehreren Jahren ausgebaut.

Das Leinetal liegt rund 15km nordwestlich der Landeshauptstadt Hannover in der Nähe der Ortschaften Lohnde und Seelze bei MLK-km 150,700-152,500.
Der MLK verläuft hier auf einem Damm quer durch das Leinetal. Im Zuge der Kanalbrücke Nr. 252 (Leinestrombrücke) wird der MLK über dir Leine geführt. Für den Hochwasserabfluss der Leine wirkt zusätzlich die Kanalbrücke Nr. 253 (Leineflutbrücke) prägend.

Im Leinetal wurden folgende Baumaßnahmen durchgeführt:

- Neubau der Kanalbrücken Nr. 252 und Nr. 253
- Streckenausbauarbeiten
- Neubau des Leineauslasses und des Leinedurchlasses
- Ausgleichsmaßnahmen

Gründung

Erdgeschichtlich ist das Leinetal ein eiszeitliches Urstromtal.

Im Bereich der Leinestrombrücke ist der Untergrund relativ gleichmäßig aufgebaut: unter Mutterbodenschichten folgen Sande und Kiese, die vereinzelt schluffige Anteile enthalten. Darunter folgt dann Tonmergel, der auch als Hannoverscher Ton bezeichnet wird. Die bestehende und die neue Leineflutbrücke liegen beide in einem verlandeten Altarm der Leine; deswegen ist dort der Baugrund durch einen stark inhomogenen Aufbau geprägt. Da die bei einer Flachgründung auftretenden Setzungsunterschiede unverträglich für den geplanten Stahlüberbau gewesen wären, kam für beide Brückenbauwerke nur eine Tiefengründung auf Pfählen in Betracht.

Nachdem sämtliche Baugruben der Pfeiler und Widerlager mit bis zu 14m langen Stahlspundwänden eingefasst waren, begann die Herstellung der Ortbetonrammpfähle. Diese Pfahlart gehört zu den Verdrängungspfählen. Ein Rohr wird in den Boden getrieben, welches dabei den anstehenden Boden verdrängt und verdichtet. Die Rammung erfolgt durch eine Freifallrammung aus großer Höhe. Ein schwerer Rammbär fällt innerhalb eines Vortreibrohres auf einen Betonpfropfen am unteren Ende. Nachdem das Rohr auf seiner endgültigen Tiefe angelangt ist, wird zur weiteren Verdichtung der Pfropfen ausgerammt, danach die Bewehrung eingestellt und der Pfahl durch gleichzeitiges Ziehen des Rohres betoniert. Aushubmaterial fällt nicht an. Die Setzungen sind durch die systembedingten Vorverdichtungen des Bodens unter dem Pfahlfuß gering. Besonders vorteilhaft wirkt sich bei der Lastabtragung der raue Pfahlschaft aus.

Für die endgültige Dimensionierung der Pfähle waren zu Baubeginn insgesamt bei beiden Brücken 10 Probepfähle gesetzt worden, die gemäß DIN-Vorschrift nicht zur Lastabtragung des Bauwerks herangezogen werden dürfen. Sie verblieben im Erdreich, ebenso wie die eingebrachten Spundwände, letztere dienen als Kolkschutz.

Die bewehrten Betonpfähle besitzen einen Durchmesser von 0,50m bei gestaffelten Längen von 5,90m – 11,50m. Aufsummiert beträgt die Gesamtlänge der Pfähle bei beiden Brücken rd. 7000m.

Massivbauten

Es folgte der Bodenaushub, um die Pfahlköpfe abstemmen zu können. Die freigelegte Anschlussbewehrung wurde in die Bewehrung der Pfahlkopfplatten eingebunden. Diese bilden das Fundament für die aufgehenden Bauteile.

Betoniert wurde die rd. 70m langen und 1,0m dicken Platten in jeweils drei Abschnitten nacheinander mit einer dazwischenliegenden Arbeitsfuge.

Die Oberseite der aufgehenden Pfeiler und Widerlager folgt in ihrer Kontur der Form des Kanalbettes mit einem horizontalen Bereich mittig und seitlichen Böschungen mit einer 1:3- Neigung. Das rote Verblendmauerwerk erhielt in seinem Außenbereich eine
Bänderung aus gelben Klinkern und als oberen Abschluss ein Gesims aus Betonfertigteilen.

In Querrichtung bestehen die Widerlager aus einer hinteren und einer vorderen Wand mit einer Betonplatte darüber, die die Verschlusskonstruktion aufnimmt. Die Auflagerbank für den Stahltrog befindet sich vor der vorderen Wand. Dazwischen ist ein 0,75m breiter Gang, der im Böschungsbereich als Treppe ausgebildet ist. Er dient zur Inspektion und Wartung der unmittelbar darrüberliegenden Übergangskonstruktion zwischen Trog und Widerlager. In die Widerlagerquerwände sind schließlich die längs verlaufenden Flügelwände eingespannt, an die sich oben der Betriebsweg anschließt. Um die Kanalbrücke zu Inspektionszwecken entleeren zu können, wurde in das Widerlager Ost der Strombrücke ein Grundablass mit Schiebern eingebaut. Die Entleerung erfolgt über ein Stahlrohr von 1,0m Durchmesser und ein Einlaufbauwerk in die Leine. Der Anschluss des Kanalbettes an das jeweilige Widerlager besteht aus einem umlaufenden nach unten 3,0m mächtigen Tonkeil, der mit einer Neigung 1:2,5 in rd. 40m dicke Kanaldichtung übergeht. Um bei Setzungen im Untergrund des Kanalbettes keine Sickerwasserfuge zwischen dem Tonkeil und dem Beton entstehen zu lassen, haben die Betonwände in jenen Bereichen eine schräge Gleitebene erhalten.

Abgedeckt wurde die Tondichtung mit einer 60cm starken Lage Wasserbausteinen und einer dazwischenliegenden Geotextilmatte als Trennschicht.

Stahlüberbau

Das Hochwasserabflussverhalten der Leine wird durch den Kanaldamm und die beiden Brückenbauwerke maßgeblich beeinflusst. Die Brücken werden bei Hochwasser eingestaut und wirken als Durchlass. Gemäß Planfeststellungsbeschluss dürfen durch den Ausbau des MLK die Abflussverhältnisse nicht wesentlich verändert werden. Des weiteren sollten die Überbauten aus nautischen und Unterhaltungsgründen entsprechend dem Kanalbett trapezförmig ausgeführt werden. Zur Untersuchung der Auswirkungen hat die Bundesanstalt für Wasserbau, Karlsruhe numerische und hydraulische Modelluntersuchungen für die Beurteilung der Strömungsvorgänge im Bereich der Brücken durchgeführt. Ziel der Untersuchung war es, die neuen Kanalbrücken und das umlegende Gelände so zu gestalten, dass das Hochwasserabflussverhalten für die entsprechenden Hochwasserereignisse annähernd gleiche Durchströmungs- und Rückstauverhältnisse im Leinetal auch nach Abschluss der Maßnahme erwarten lässt.

Somit waren die Brückenlängen sowie die Anzahl und Dicke der Pfeiler vorgegeben. Als Folge der größeren Wassertiefe von 4m liegt der Trogboden bei den neuen Brücken tiefer als bei den alten Brücken. Um eine Beeinträchtigung durch den Hochwasserabfluss so gering wie möglich zu halten, mussten bestimmte Randbedingungen eingehalten werden. Hierunter fällt u.a. die Festlegung der Bauhöhe mit 0,80m für die Flut- und 1,20m für die Strombrücke, der Bau einer Flutmulde sowie das Anordnen einer Leitwand im Bereich der Strombrücke. Weiterhin durfte das Flussbett in seinem Lauf nicht verändert werden, so dass die Geometrie der Strombrücke angepasst werden musste. Somit sind Widerlager, Pfeiler sowie die Enden des Stahltrogs in einem Radius von 125m bogenförmig ausgeführt worden.

Beide Stahltröge wurden in Einzelteilen mit Stückgewichten zwischen 16t und 105t in Aschaffenburg gefertigt und mit Ausnahme des Endanstrichs dort auch konserviert. Vom Werksplatz am Main, direkt in ein Schiff verladen, erreichten sie, über Rhein, Dortmund-Ems-Kanal und Mittellandkanal, nach vier Tagen, das Leinetal. Auf 9 Schiffsladungen verteilt, waren insgesamt fast 120 Teile zu transportieren.

Aus hydraulischen Gründen wurde die Unterseite der Flutbrücke rau – entsprechend einem offenen Trägerrost – und die Strombrücke in ihrem horizontalen Teil durch ein unterseitiges Bodenblech glatt ausgeführt. Die hieraus entstehenden Hohlkästen wurden luftdicht verschlossen. Sollte durch Beschädigung Wasser in diese eindringen, wird das über Schwimmerschalter angezeigt.

Im schrägen Unterwasserbereich wurde zur Verhinderung von direkten Beschädigungen des Bodenblechs ein Anfahrschutz aufgebracht. Er besteht aus einer Lage Trägern, die quer zur Brückenachse liegen und mit einer Blechhaut abgedeckt sind. Die dadurch entstandenen Hohlräume wurden ausbetoniert und luftdicht verschlossen.

Oberhalb des Anfahrschutzes setzt ein Deckwerk aus Wasserbausteinen an; 1m unter und 1m über dem Wasserspiegel deckt es die Wasserwechselzone ab und dient als Wellenbrecher.

Mit dem Deckwerk endet die Trogschräge und es schließt der Betriebsweg an, der mit einem 6mm starken Dünnbelag beschichtet wurde. Das Brückengeländer ist als Füllstabgeländer außen am Gesims angeschraubt.

Die Stahlüberbauten werden sowohl passiv als auch aktiv vor Korrosion geschützt. Der passive Korrosionsschutz auf der Trogaußenseite wurde hauptsächlich im Werk aufgebracht. Nach dem Strahlen (Normalreinheitsgrad Sa 2 ½ ) wurde die Zinkstaubgrundierung sowie der erste und zweite Deckanstrich bis auf die Stoßbereiche appliziert. Die Konservierung der Bauteilstöße sowie das Aufbringen des letzten Deckanstrichs erfolgte auf der Baustelle. Die Beschichtungsdicke auf der Trogaußenseite beträgt insgesamt 310 µm. Für den letzten Anstrich, auf Polyurethanbasis, wurde der Farbton RAL 6000 patinagrün gewählt.

Als Korrosionsschutz haben die Troginnenflächen eine 2mm starke Beschichtung auf Epoxidharzbasis erhalten. Die Grundierung der Stahloberfläche besteht aus dem üblichen Zinkstaubanstrich. Zusätzlich wird der Stahl durch den kathodischen Korrosionsschutz geschützt. Kleine mechanische Beschädigungen lassen sich durch Messelektroden grob lokalisieren. Über ein System selbst-regelnder Fremdstromanoden wird durch eine gezielte Strombeaufschlagung ein Weiterrosten unterbrochen. Die beiden Kanalbrücken ruhen auf jeweils 32 bewehrten Elastomerlagern; ein Teil der Lager erhielt zusätzlich Zuganker, um abhebende Kräfte aufnehmen zu können. Die Übergänge zwischen starren Betonwiderlager und der bei Sonneneinstrahlung sich dehnenden Stahlkonstruktion werden durch U-förmig herabhängende Gummischlaufen mit Textileinlage gebildet. Aus Sicherheitsgründen erfolgte die Ausführung doppelt. Die untere Schlaufe ist von dem Widerlager befindlichen Gang zu besichtigen. Angeordnete Schlauchstutzen mit einem Öffnungshahn ermöglichen eine Kontrolle der darrüberliegenden Dichtung.

Für Inspektions- und Wartungsarbeiten können die Brücken entleert werden. Dies geschieht mittels zweigeteilter, aufklappbarer Schwimmpontons, die auf den Widerlagern festgesetzt werden. Zum Kanalbett hin werden in eine Bodenschiene Stautafeln hinabgelassen, die untereinander über Holzleisten gedichtet sind. Über den im Widerlager eingebauten Grundablass kann das Wasser der Strombrücke in die Leine fließen, die Flutbrücke muss leergepumpt werden. Zum Fluten werden je zwei Schieber in den Stautafeln gezogen.

Neubau der Kanalbrücken Nr.252 und Nr.253

Die beiden bestehenden Kanalbrücken Nr.252 (Leinestrombrücke) und Nr. 253 (Leineflutbrücke) besaßen nur eine Wasserspiegelbreite von 24m und eine Wassertiefe von 3m und mussten an den Streckenausbau angepasst werden. Darüber hinaus waren die Kanalbrücken mittlerweile 80 Jahre alt und wären altersbedingt ohnehin ersetzt worden.

Ein Neubau in alter Lage hätte dazu geführt, dass während dieser Zeit der MLK für mindestens 2Jahre gesperrt werden müsste. Somit wurde diese Variante aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen. Nördlich der bestehenden Kanalüberführung entstanden mit einem Achsabstand von 58m die neuen Brücken.

Sie wurden als vollständig geschweißte Stahltröge ausgeführt und ruhen als Dreifeldträger jeweils auf dem westlichen und östlichen Wiederlager sowie den beiden Pfeilern. Die Gesamtlänge der neuen Leinestrombrücke beträgt wie bei der alten Brücke 77m, die der Leineflutbrücke entsprechend 55m.

Bauablauf

Die Baumaßnahmen wurden im September 1995 mit der Herstellung der Probepfähle für die Gründung begonnen. Nach ersten Rodungs- und Erdarbeiten war Mitte November die technische Bearbeitung der Objekte soweit fortgeschritten, dass an der Brücke 253 die Spundwände der Widerlager gerammt und die Ortbetonrammpfähle der Pfeiler hergestellt werden konnten. Im April 1996 wurde mit ersten Betonarbeiten an den Pfeilern begonnen und fast zeitgleich mit den Arbeiten an den Widerlagern, die im Oktober 1996 mit dem Verblendmauerwerk endeten. Im Frühjahr 1997 begann die Montage des Stahlüberbaues. Die einzelnen Bauteile wurden auf dem Wasserweg zur Baustelle transportiert und mit einem 800t-Autokran auf die Unterbauten aufgelegt. Nach dem Zusammenbau und der Konservierung des Troges bildeten Erd- und Pflasterarbeiten unter dem Bauwerk im Frühjahr 1998 den Abschluss der Arbeiten an der Leineflutbrücke. Um ein halbes Jahr zeitversetzt erfolgten die Arbeiten an der Leinestrombrücke auf gleiche Art und Weise. Die Gesamtfertigstellung und Übergabe an den Bauherrn erfolgte im Juni 1999.

Weitere Baumaßnahmen

Der Streckenausbau erfolgte überwiegend nach dem Regelquerschnitt für Trapezprofile mit 55m Wasserspiegelbreite und 4m Wassertiefe bei 1:3 geneigten Böschungen. Im Baustellenbereich wurden mehrere tausend Kubikmeter Boden um gesetzt, die fehlenden Massen gelangten auf dem Wasserweg in das Leinetal.

Der seit 80 Jahren bestehende Leineauslass erforderte auf Grund seines Alters einen Neubau, der östlich des vorhandenen errichtet wurde. Die neue Anlage ermöglicht es weiterhin, maximal 58 m3/s Wasser in die Leine abzuschlagen. Bedingt durch die Kanalverbreitung wurde der alte Leinedurchlass verlängert. Hierzu wurde ein Stahlrohr von 1m Durchmesser in das vorhandene verschoben.

Das Leinetal liegt in der Hannoverschen Moorgeest. Es ist durch periodische Überflutungen während der Leinehochwässer geprägt. Beidseitig des MLK existieren wertvolle Amphibienlebensräume, die durch den Ausbau beeinträchtigt wurden. Für die Folgen des Eingriffs wurden als Ausgleichsmaßnahmen nördlich des ausgebauten MLK zusätzliche Lebensräume in Form von Laichgewässern geschaffen. Darüber hinaus wurden im Spundwandbereich 12 Wildausstiege angeordnet, die auch eine Amphibienwanderung ermöglichen. Mit der Aufforstung von mehreren Hektar an Auewald wurde bereits vor der Baumaßnahme begonnen. Außerdem wurde der Baumbestand im Verhältnis 1:2 ausgeglichen, Grünland im Verhältnis 1:1,5.